Für viele Pflegeeltern ist es selbstverständlich, dass sie ihre Pflegekinder ebenso gut absichern möchten, wie ein leibliches Kind, auch in finanzieller Hinsicht. Für die Zeit nach dem Tode von Pflegeeltern bietet sich hier natürlich vor allem eine Erbeinsetzung an. Hierbei müssen Pflegeeltern jedoch – im Vergleich zu leiblichen Eltern oder Adoptiveltern – einige Besonderheiten beachten.
Grundsätzlich gilt, dass Pflegekinder mit ihren Pflegeeltern nicht verwandt sind. Daher besteht kein gesetzliches Erbrecht. Das heißt, Pflegekinder haben keinen Erbanspruch gegen ihre Pflegeeltern und damit auch keinen Pflichtteilsanspruch nach dem Gesetz. Selbstverständlich können Pflegeeltern diese Rechtslage jedoch durch ein Testament oder einen Erbvertrag ändern. Ein Erbvertrag muss notariell beurkundet werden, ein Testament jedoch können Pflegeeltern selbst errichten. Unbedingt darauf zu achten ist, dass ein Testament nur wirksam ist, wenn es handschriftlich errichtet wurde, datiert und unterschrieben ist. Zusätzlich empfiehlt es sich, auch anzugeben, an welchem Ort das Testament niedergeschrieben wurde. Die Unterschrift soll Vornamen und Familiennamen enthalten. Generell gilt, dass bei Abfassung des Testamentes auf möglichst große Klarheit zu achten ist. Denn unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten führen regelmäßig zu Streit und ggf. Anfechtung eines Testamentes. Daher empfiehlt sich im Zweifelsfalle die Einholung eines fachlichen Rates vor Abfassung eines Testamentes.
Schutz vor Zugriff auf das Erbe durch leibliche Eltern
Bei der Einsetzung von Pflegekindern als Erben ist abzuklären, wer für das Kind das Sorgerecht, insbesondere die Vermögenssorge inne hat. Denn bis zur Volljährigkeit steht jedes Kind unter elterlicher Sorge. Der Sorgerechtsinhaber übt diese entsprechend aus und müsste das Erbe für das Kind bis zur Volljährigkeit entsprechend verwalten. Hier ist unbedingt zu bedenken ob Missbrauchsgefahren denkbar sind. Liegt das Sorgerecht etwa noch bei der Herkunftsfamilie und bestehen Zweifel, dass ein etwaiges Erbe ordnungsgemäß verwaltet wird, so empfehlen sich entsprechende Vorkehrungen.
Eine Möglichkeit besteht darin, im Testament Testamentsvollstreckung bis zu einem bestimmten Alter des Kindes anzuordnen. Der Testamentsvollstrecker würde dann das ererbte Vermögen im Sinne des Kindes verwalten und anlegen müssen, andere Personen hätten keinen Zugriff hierauf. Ergänzend empfiehlt es sich, im Testament ausdrücklich etwa die Herkunftseltern von der Vermögensverwaltung auszuschließen, wenn hier Risiken gesehen werden. Dies gestattet die Vorschrift § 1638 BGB, Beschränkung der Vermögenssorge.
Die Vorschrift lautet:
(1) Die Vermögenssorge erstreckt sich nicht auf das Vermögen, welche das Kind von Todes wegen erwirbt oder welches ihm unter Lebenden unentgeltlich zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.
Schutz vor staatlichem Zugriff auf das Erbe
Bei Errichtung eines Testamentes für Pflegekinder sollte ferner bedacht und geprüft werden, wie die Gefahr vermieden werden kann, dass der Staat Zugriff auf das ererbte Vermögen des Kindes nehmen kann. Ist es etwa erforderlich, dass ein Kind nach dem Erbfall staatliche Leistungen in Anspruch nimmt, dann wird regelmäßig geprüft, ob bei dem Kind Einkommen oder Vermögen vorhanden ist. Ist das der Fall, kann und wird der Sozialhilfeträger versuchen, hierauf zuzugreifen. So bestimmt etwa § 94 Abs. 6 SGB VIII, dass junge Volljährige auch aus ihrem Vermögen herangezogen werden können, wenn sie etwa Hilfen zur Erziehung oder andere Jugendhilfeleistungen erhalten. Insbesondere behinderte Pflegekinder etwa werden möglicherweise ihr ganzes Leben lang auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sein. Wollen Pflegeeltern ihr Kind so absichern, dass das Vermögen auch tatsächlich dem Kind zukommt, müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. In der Praxis hat sich hierbei die Errichtung eines Testamentes in Anlehnung an die sogenannten „Behinderten-Testamente“ bewährt.
In der üblichen Gestaltung setzen dabei Pflegeeltern ihr behindertes (Pflege)Kind zum Vorerben ein und bestimmen zugleich eines ihrer nicht behinderten Kinder oder aber einen Dritten zum sogenannten Nacherben. Zudem wird häufig eine Testamentsvollstreckung durch die zum Nacherben bestimmte Person angeordnet. Dann ist das (behinderte) Kind zwar zum Vorerben berufen. Die Verfügungsmacht über den Nachlass jedoch liegt bereits beim Testamentsvollstrecker und damit bereits beim Nacherben.
Durch diese Gestaltung kann zum einen zunächst die sozialhilferechtliche Erbenhaftung ausgeschlossen werden, demzufolge der Erbe eines Hilfeempfängers zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe für den Zeitraum der vergangenen 10 Jahre verpflichtet ist und der zu einer unmittelbaren eigenständigen Haftung des Erben gegenüber dem Träger der Sozialhilfe führt. Hierdurch können etwaige spätere Kinder eines Pflegekindes geschützt werden.
Ist absehbar, dass ein (behindertes) Kind lebenslang auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist, ist es empfehlenswert, eine Testamentsvollstreckung in Form einer lebenslangen Verwaltungsvollstreckung anzuordnen. Auf diese Weise wird dem (behinderten) Kind ein ererbtes Vermögen in vollem Umfange entzogen. Hierdurch wird ein Zugriff des Sozialhilfeträgers ausgeschlossen. Der Testamentsvollstrecker kann aus der Erbmasse dem Kind sodann Vorteile gewähren, etwa Geld auszahlen, Anschaffungen tätigen usw., soweit diese nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden können.
Alternativ kann auch eine testamentarische Regelung gewährt werden, bei welcher ein (behindertes) Pflegekind mit einem sogenannten Vermächtnis bedacht wird. Bei dieser Variante wird das Pflegekind also nicht Erbe. Als Erbe werden andere Personen eingesetzt, etwa der überlebende Ehegatte und andere Kinder oder auch eine dritte Person. Das behinderte Pflegekind wird im Testament jedoch mit einem sogenannten Vermächtnis bedacht, d.h., es erhält von den Erben entsprechende Zuwendungen.
Beide Varianten haben jeweils Vor- und Nachteile, welche es sorgfältig abzuwägen gilt.
Zusammenfassend sollte also zunächst genau geprüft werden, welche Art der Absicherung gewünscht ist und ob dieser Zweck gefährdet sein könnte, sei es durch eine unerwünschte Vermögensverwaltung von sorgeberechtigten Eltern, sei es durch einen bereits jetzt absehbaren staatlichen Zugriff im Falle einer Hilfegewährung. Sollten derartige Gefährdungsmomente gegeben sein, empfiehlt es sich unbedingt, hiergegen Vorkehrungen zu treffen. Die einzelnen Möglichkeiten können hier nur angerissen werden. Es bedarf jeweils einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall, welche testamentarische Gestaltung die günstigste ist.
Rechtsanwalt Steffen Siefert
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