OLG Hamm: Verbleib eines Kindes bei seinen Pflegeeltern

Fordert eine leibliche Mutter oder ein leiblicher Vater die Herausnahme eines Kindes aus seiner Pflegefamilie, so können Pflegeeltern sich hiergegen regelmäßig gut und effektiv wehren, indem sie einen Verbleibensantrag stellen. Diese Möglichkeit hat ihnen der Gesetzgeber nach § 1632 IV BGB eingeräumt. Nach dieser Vorschrift können Pflegeeltern beantragen, dass das Pflegekind bei ihnen verbleibt. Dem Verbleibensantrag muss entsprochen werden, wenn im Falle der Herausnahme das Kindeswohl gefährdet wäre.

In solchen Verfahren prüft das Familiengericht letztlich zwei Kernargumente. Zum einen wird geprüft, ob der Elternteil überhaupt über die zu fordernde Erziehungsgeeignetheit verfügt, ob dieser also überhaupt (wieder) in der Lage wäre, das Kind selbst zu pflegen und zu erziehen. Aber selbst wenn Kindeseltern sich hier wieder stabilisiert haben, heißt dies keineswegs, dass ein Kind dann aus seiner Pflegefamilie herausgenommen werden kann. Denn ein Kind kann hier nur eine gewisse Zeit auf die Stabilisierung seiner leiblichen Eltern warten. Gerade dann, wenn das Kind sich in der bindungssensitiven Phase befindet, bindet es sich natürlich an seine Pflegeeltern. Ist hier eine zu starke Bindung entstanden, dann kann ein Abbruch dieser Bindung für das Kind einen lebenslangen Schaden bedeuten. In diesem Fall muss das Kind bereits wegen der schädlichen Folgen des Bindungsabbruchs bei seinen Pflegeeltern verbleiben. Dies muss auch dann gelten, wenn die leiblichen Eltern etwa inzwischen wieder in der Lage wären, ein Kind grundsätzlich zu pflegen und zu erziehen.

In einem vom Verfasser bearbeiteten Fall hat das OLG Hamm dies in einer Entscheidung sehr kindzentriert betont. In diesem Fall begehrte die leibliche Mutter die Herausnahme ihres Kindes aus der Pflegefamilie. Sie hatte in der Zwischenzeit ein weiteres Kind auf die Welt gebracht, welches sie (mit Hilfen) selbst großziehen kann. Dennoch hat in zweiter Instanz das OLG Hamm die Entscheidung des Amtsgerichtes gegen die Beschwerde der Kindesmutter bestätigt, dass das Kind in der Pflegefamilie verbleiben muss. Es hat klargestellt, dass der Verbleib völlig unabhängig von der (in diesem Fall allerdings sehr kritisch eingeschätzten) Erziehungsgeeignetheit der Kindesmutter anzuordnen ist, und zwar alleine wegen der Folgen des Bindungsabbruchs. Wörtlich führt das OLG Hamm in der Entscheidung aus:

„Unabhängig davon hat das Kind zu den Pflegeeltern, insbesondere zu der Pflegemutter (…) zwischenzeitlich derartig sichere und tragfähige Bindungen entwickelt, dass eine Herausnahme des Kindes zu einem Bindungsabbruch und zu einer erheblichen Verunsicherung des Kindes führen würde und damit das Kindeswohl in einem nicht vertretbaren Maße gefährdet würde. (…) Eine Herausnahme des Kindes aus dieser Umgebung wäre gleichbedeutend mit einem erneuten tiefen Bruch in seinem Leben, durch den die gesunde Entwicklung des vorbelasteten Kindes zur Disposition gestellt würde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits durch den vormaligen Wechsel zunächst in den Haushalt der Pflegeeltern, dann zurück in den Haushalt der Kindesmutter und dann zurück in den Haushalt der Pflegeeltern im Jahre 2005 bereits mehrfach Trennungserfahrungen hat machen müssen, so dass von einer erhöhten Vulnerabilität des Kindes auszugehen und die Gefahr eines nicht mehr behebbaren emotionalen Schadens gegeben ist“.

Die Praxis zeigt, dass Pflegeeltern ab einer gewissen Verfestigung der Pflegedauer sehr gute Aussichten haben, das Kind vor einem Schaden im Falle der Herausnahme zu schützen und den Verbleib in der Pflegefamilie durchzusetzen. Der Verfasser konnte hier in einer großen Vielzahl von Verfahren Verbleibensanordnungen für Pflegeeltern durchsetzen. Dabei ist es in derartigen Verfahren natürlich stets von großer Bedeutung, die Gefahren für das Pflegekind und aus Sicht des Pflegekindes vorzutragen. Generell darf das Elternrecht nicht unterschätzt werden und wird auch bei den Gerichten durchaus hoch angesiedelt. Es gilt jedoch der ganz allgemeine Grundsatz, dass das Elternrecht vom Kindeswohl verdrängt wird.

Die oben zitierte Entscheidung des OLG Hamm wird im Folgenden in anonymisierter Fassung im kompletten Wortlaut wiedergegeben:

OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS
11-3 UF 273/07 OLG Hamm 57 F 243/06 AG Bochum

In der Familiensache
betreffend das minderjährige Kind geboren am 14.05.2004,
Beteiligte:
1. die Kindesmutter Frau
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
– Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte (…)—
2. Stadt Bochum, Jugendamt, 44777 Bochum,
Antragsgegnerin zu 1) und Beschwerdegegnerin,
3. die Pflegeeltern,
Antragsgegner zu 2) und Beschwerdegegner,
– Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Steffen Siefert in Köln —

hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 06. Oktober 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht (…) sowie die Richter am Oberlandesgericht (…)
beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 28.11.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts — Familiengericht — Bochum vom 25.10.2007 wird zurückgewiesen.
Bezüglich der erstinstanzlichen Kosten verbleibt des bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses.
Gerichtskosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die am 25.12.1987 geborene Kindesmutter und Antragstellerin hat ihren Sohn
am 14.05.2004, damit noch während ihrer Minderjährigkeit, geboren. Der namentlich nicht bekannte Kindesvater soll sich in der Türkei aufhalten. Wegen einer psychischen Erkrankung gab die Antragstellerin das Kind , im März 2005 erstmals im Rahmen der Bereitschaftspflege in die Obhut der jetzigen Pflegeeltern. Nach etwa zwei Monaten nahm die Kindesmutter das Kind für einige Wochen wieder zu sich, gab es dann aber wegen fortbestehender gesundheitlicher Einschränkungen aus eigenem Entschluss an die Pflegeeltern zurück. Seitdem befindet sich das Kind ‚ ohne Unterbrechung im Haushalt der Pflegeeltern.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Kindesmutter mit Antragsschrift aus November 2006 unter Hinweis darauf, sie sei wieder vollständig genesen und in der Lage, das Kind eigenverantwortlich zu betreuen und zu erziehen, die Herausgabe des Kindes an sich.

Das Jugendamt der Stadt Bochum ist dem Begehren der Kindesmutter entgegengetreten und hat eine Verbleibensanordnung beantragt.

Insoweit hat das Jugendamt geltend gemacht, _ _ _ . habe eine feste Bindung zu seiner Pflegemutter entwickelt; eine Trennung entspreche nicht dem Kindeswohl. Auch sei die Kindesmutter nach wie vor nicht ausreichend stabilisiert, um eine sichere Versorgung des Kindes zu gewährleisten.

Das Familiengericht hat zur Klärung der Fragestellung ein schriftliches Gutachten der Sachverständigen eingeholt. In ihrem Gutachten vom 06.07.2007 spricht sich die Sachverständige für einen Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern aus.

Am 14. September 2007 hat die Kindesmutter aus einer weiteren Beziehung mit einem noch verheirateten Mann das Kind geboren. Das Kind befindet sich seitdem in ihrem Haushalt und wird von ihr betreut. Sie nimmt insoweit öffentliche Hilfe in Anspruch. Mit dem Kindesvater hat sie zeitweise zusammengelebt, zuletzt hat sie sich offenbar getrennt. Außerdem ist die Kindesmutter zwischenzeitlich nach Essen verzogen.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Antrag der Kindesmutter auf Herausgabe des Kindes zurückgewiesen und eine Verbleibensanordnung — Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern, den Eheleuten — getroffen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das Wohl des Kindes würde durch die Herausnahme des Kindes aus der Familie der Pflegeeltern gefährdet. Das Kind habe inzwischen starke Bindungen, insbesondere an die Pflegemutter, aufgebaut; die bisherige gute Entwicklung würde im Falle einer Herausnahme erheblich gefährdet. Auch sei die Kindesmutter nicht derart gefestigt, als dass das Kind — auch angesichts des zwischenzeitlich geborenen weiteren Kindes — ohne Bedenken in ihren Haushalt zurückgegeben werden könnte.

Hiergegen wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihr bisheriges Begehren weiterverfolgt.
Zur Begründung führt sie an, sie sei gesund und in der Lage, auch den Sohn
zu betreuen und ihn zu fördern. Dies ergebe sich nicht zuletzt daraus, dass sie den
Sohn ‚ .. ‚ ohne Schwierigkeiten erziehe.

Das Jugendamt verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt der Beschwerde mit näheren Ausführungen entgegen. Es weist darauf hin, dass die Kindesmutter mit der Versorgung eines weiteren Kindes überlastet sei.

Der Senat hat im Termin vom 06. November 2008 die Beteiligten, das Kind
und die Sachverständige ) angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk (Bi. 193 — 196 R GA.) verwiesen.

Der Senat hat sodann durch Beweisbeschluss die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die Frage angeordnet,
ob die Kindesmutter wegen einer fortbestehenden psychischen Erkrankung oder einer schweren Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage ist, das Kind
geboren am 14.05.2004, neben ihrem weiteren Kind
geboren am 14.09.2007, eigenverantwortlich zu betreuen und zu versorgen.

Mit Schriftsatz vom 25. November 2008 sind die Pflegeeltern dem Verfahren beigetreten, haben selbst einen Verbleibensantrag gestellt und die Zurückweisung der Beschwerde der Kindesmutter beantragt.
Sie machen im wesentlichen geltend, dass das Kind ‚ tragfähige Bindungen zu ihnen entwickelt habe und durch eine Herausnahme des Kindes das Kindeswohl gefährdet werden würde. Sie weisen darauf hin, dass sich seit über vier Jahren bei ihnen befinde und dass allein die Dauer des Pflegeverhältnisses zu einer Verbleibensanordnung führen könne. Sie tragen ferner vor, : habe mit immer massiveren Verhaltensauffälligkeiten auf die letzte gerichtliche Anhörung im November 2008 sowie die nachfolgenden Umgangskontakte mit der Kindesmutter reagiert und Verlustängste gezeigt. Dies geschehe vor dem Hintergrund, dass das Verfahren ihm bewusst gemacht habe, dass sein Verbleib bei den Pflegeeltern nicht gesichert sei.

Der Sachverständige kommt in seinem schriftlichen Gutachten vom 16.03./28.05.2009 zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Erkrankung der Kindesmutter diagnostisch um eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ handele. Zwar sei der aktuelle psycho-pathologische Befund neben einer Bagatellisierungstendenz im Hinblick auf noch bestehende Krankheitssymptome sowie auch im Hinblick auf die früher mitgeteilten Diagnosen insgesamt unauffällig, jedoch würden die von der Antragstellerin selbst mitgeteilten Symptome und die in den medizinischen Unterlagen dokumentierten Befunde die Diagnose eindeutig bestätigen.

Ausweislich der Akten ließen sich bei der Kindesmutter weiterhin instabile Beziehungen feststellen sowie auch zumindest gelegentlich impulsives Verhalten mit Störungen der Impulskontrolle. Aus den Hilfeplangesprächen ließen sich jedoch verbesserte Kompetenzen ableiten sowie durchaus gute Kompetenzen in der Erziehung ihres jüngeren Sohnes , bei offenbar auch guter Absprachefähigkeit. Es sei ihr jedoch nicht gelungen, sich außerhalb professioneller Kontakte ein stabiles und belastbares soziales Umfeld aufzubauen. Aktuell sei eine ausreichende Stabilität zur zusätzlichen Versorgung ihres Sohnes noch nicht erreicht. Der Verlauf der Erkrankung zeige jedoch eine zunehmende Stabilisierung mit zwischenzeitlich erworbenen Kompetenzen sowohl in der Lebensführung als auch in der Versorgung ihres jüngeren Kindes. Sie verfüge über bisher ungenutzte Ressourcen zur weiteren Stabilisierung, insbesondere im Hinblick auf die emotionale Belastbarkeit und die Steuerung ihrer Impulse.

Nach Angaben der Pflegeeltern hat sich die Kindesmutter anlässlich des Umgangskontaktes vom 20. August 2009 für einen Verbleib des Kindes bei ihnen – den Pflegeeltern – ausgesprochen. Die Kindesmutter habe zum Ausdruck gebracht, sie wolle auf keinen Fall, dass es einen Schaden durch die Herausnahme nehme, ferner wolle sie ihm die erneute gerichtliche Anhörung ersparen. Sie wolle deshalb nach Rücksprache mit ihrer Anwältin die Beschwerde zurücknehmen. Die Kindesmutter hat diese Angaben als „Missverständnis“ dargestellt und klargestellt, dass die Beschwerde aufrechterhalten werden soll.

Der Senat hat im Termin vom 06. Oktober 2009 die Beteiligten, das Kind : sowie den Sachverständigen ergänzend angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde der Kindesmutter und Antragstellerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit im Ergebnis zutreffender Begründung hat das Familiengericht den Antrag der Antragstellerin auf Herausgabe des Kindes zurückgewiesen und angeordnet, dass das Kind in der Pflegefamilie der Eheleute verbleibt, § 1632 Abs. 1 und Abs. 4 BGB.
Die erneute und wiederholte Anhörung der Beteiligten und des Kindes sowie die Vernehmung der Sachverständigen ‚ , und im Beschwerdeverfahren rechtfertigen keine anderweitige Entscheidung. Das Wohl des Kindes … geboren am 14.05.2004, wäre nach wie vor im Falle des Wechsels in den Haushalt der Kindesmutter gefährdet.

1.

Die Kindesmutter und Antragstellerin ist nach wie vor gesundheitlich nicht hinreichend gefestigt und stabilisiert, um neben ihrem Kind , geboren am 14.09.2007, ein weiteres — und durchaus forderndes — Kind in ihrem Haushalt eigenverantwortlich zu betreuen und zu erziehen.

Dies steht aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens des Sachverständigen Dr.
, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, zur Überzeugung des Senats fest. Der Sachverständige kommt in seinem schriftlichen Gutachten vom 16.03./28.05.2009 (vgl. BI. 253 – 269 GA) zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Erkrankung der Kindesmutter diagnostisch um eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ handelt. Auch wenn der derzeitige psycho-pathologische Befund im Zeitpunkt der Untersuchung – März 2009 – als ingesamt unauffällig zu bezeichnen sei, werde jedoch die Diagnose aufgrund der von der Kindesmutter selbst mitgeteilten Symptome und der in den medizinischen Unterlagen dokumentierten Befunde eindeutig bestätigt. Ungeachtet der zwischenzeitlich gegebenen Stabilisierung sei jedoch weiterhin von instabilen Beziehungen und von gelegentlichem impulsiven Verhalten mit Störungen der Impulskontrolle auszugehen. Deshalb sei aktuell eine ausreichende Stabilität zur zusätzlichen Versorgung ihres Kindes noch nicht erreicht.

Diese Beurteilung hat der Sachverständige anlässlich seiner Anhörung im Senatstermin vom 06.10.2009 – auch bezogen auf den jetzigen Zeitpunkt – ausdrücklich wiederholt und bekräftigt. Ungeachtet dessen, dass die Kindesmutter zwischenzeitlich eine gute Entwicklung genommen habe, was sich auch in der zuverlässigen Versorgung ihres Kindes E zeige, sei die emotionale Stabilität nach wie vor nicht ausreichend. Es bestehe die Gefahr der Dekompensation durch die zusätzliche Belastung, die die Versorgung eines erst 5 1/2 Jahre alten Kindes mit sich bringe. Probleme ergeben sich auch aus der nach wie vor vorliegenden Bagatellisierungstendenz. Mangels Einsichtsfähigkeit schöpfte die Kindesmutter die Möglichkeiten einer langfristig angelegten Psychotherapie nicht aus, um auf diese Weise auch zu einer besseren Stressbewältigung kommen zu können. Aus Sicht des Sachverständigen müsste sie eine langfristige Therapie beginnen.

Dieser sachverständigen Beurteilung der aktuellen Kompetenzen der Kindesmutter zur eigenverantwortlichen Versorgung und Erziehung auch des Kindes 1 in ihren Haushalt schließt sich der Senat nicht zuletzt auch aufgrund des Eindrucks, den er anlässlich der Anhörung der Kindesmutter in den Senatsterminen vom 06.11.2008 und 06.10.2009 gewonnen hat, ausdrücklich an. Bevor nicht die Kindesmutter, die durchaus auf einem guten Wege zu sein scheint, durch Inanspruchnahme fachlicher therapeutischer Hilfsmaßnahmen eine hinreichende psychische Stabilisierung ihrer Persönlichkeit erreicht hat, erscheint ein Wechsel auch des Kindes in ihren Haushalt – unabhängig von den nachfolgend zu erörternden Gesichtspunkten – nicht vertretbar und mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. Aktuell wäre von einer Gefährdung des Wohles des Kindes – ggf. auch des Kindes – im Falle eines Wechsels des Kindes in ihren Haushalt auszugehen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem jetzt 5 ‚/2 Jahre alten Kind um ein ausgesprochen lebhaftes und forderndes Kind handelt, wovon sich auch der Senat anlässlich der Anhörungen überzeugen konnte.

2.

Unabhängig davon hat das Kind zu den Pflegeeltern , insbesondere zu der Pflegemutter Frau , zwischenzeitlich derartig sichere und tragfähige Bindungen entwickelt, dass eine Herausnahme des Kindes zu einem Bindungsabbruch und zu einer erheblichen Verunsicherung des Kindes führen würde und damit das Kindeswohl in einem nicht vertretbaren Maße gefährdet würde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich das Kind ‚ seit März 2005 – mit einer Unterbrechung von wenigen Wochen im Mai/Juni 2005 – ununterbrochen im Haushalt der Pflegeeltern befindet. hat damit, wie bereits die Sachverständige in ihrem schriftlichen Gutachten vom 06.07.2007 ausgeführt hat, nicht nur den überwiegenden Teil, sondern auch den besonders bindungsrelevanten Teil seines Lebens in der Pflegefamilie verbracht und hat sich in diesem Zeitraum dort eindeutig beheimatet (vgl. BI. 78, 79 d. Gutachtens). Eine Herausnahme des Kindes aus dieser Umgebung wäre gleichbedeutend mit einem erneuten tiefen Bruch in seinem Leben, durch den die gesunde Entwicklung des vorbelasteten Kindes zur Disposition gestellt würde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits durch den vormaligen Wechsel zunächst in den Haushalt der Pflegeeltern, dann zurück in den Haushalt der Kindesmutter und dann zurück in den Haushalt der Pflegeeltern im Jahre 2005 bereits mehrfach Trennungserfahrungen hat machen müssen, so dass von einer erhöhten Vulnerabilität des Kindes auszugehen und die Gefahr eines nicht mehr behebbaren emotionalen Schadens gegeben ist.
Diese Einschätzung hat die Sachverständige anlässlich ihrer Anhörung im Senatstermin vom 06.11.2008 wiederholt und darauf hingewiesen, dass die Herausnahme eines Kindes an sich immer einen Bruch bedeute und immer ein Risiko darstelle. … würde in seinen Sicherheitserlebnissen zunächst stark erschüttert. Es wäre ein Prozess, der unvermeidlich die Sicherheitsbasis für das Kind entziehen würde. Er befinde sich jetzt in „normaler“ Entwicklung. Der erste Beziehungsabbruch – Wechsel des Kindes von der leiblichen Mutter in die Pflegefamilie – sei überwunden. Es sei zudem höchst zweifelhaft, ob die Kindesmutter angesichts ihrer psychischen Situation in der Lage sei, den besonderen Anforderungen, die infolge des Beziehungsabbruchs im Falle des Wechsels des Kindes in ihren Haushalt auftreten – so seien auch Trauerreaktionen pp. zu bewältigen – genügen könne. Entscheidend sei die emotionale Bindung des Kindes, welches die längste Zeit in der Pflegefamilie verbracht hat. Darauf müsse man reagieren. Das Kind müsste sich gänzlich umorientieren. Es würde gelten, einen Prozess der Umgewöhnung einzuleiten. Dies wäre ein langwieriger Prozess, der nach Monaten bzw. Jahren oder noch länger zu bemessen wäre. Wichtig wäre ein Zusammenwirken sämtlicher Beteiligter, die an einen Strang ziehen müssten.

Der Senat teilt insbesondere auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den er anlässlich der Anhörungen der Kindesmutter gewonnen hat, die Zweifel der Sachverständigen, dass die Kindesmutter zu einem derartigen Prozess, der Einsicht, Verständnis und Geduld voraussetzen würde, angesichts ihrer eingeschränkten Kompetenzen in der Lage ist. Insoweit hat der Senat gleichfalls die Auffassung gewonnen, dass die Kindesmutter im vorliegenden Verfahren in erster Linie ihre persönliche Bedürfnislage, nicht jedoch die ihres Kindes , in den Vordergrund stellt. Der Senat hat insoweit Zweifel, ob die Kindesmutter überhaupt in der Lage ist, die besondere Situation, die sich für das Kind im Falle eines Wechsels in ihren Haushalt ergeben würde – auch wenn sich dieser Wechsel über einen längeren Zeitraum hinzöge –, zu erkennen und entsprechend dieser Erkenntnis zu handeln. Insoweit verweist sie stereotyp darauf, dass sie die leibliche Mutter ist und sich auch in ihrem Haushalt wohlfühlen werde.

Wie sehr , bereits das vorliegende Verfahren als Bedrohung seiner persönlichen Situation und seiner bisher sicher geglaubten Beheimatung in der Pflegefamilie empfindet, folgt nicht zuletzt aus seinen Reaktionen auf die erfolgte Anhörung im Senatstermin vom 06.11.2008, wie sie die Pflegemutter Frau und die Vertreterin des Jugendamtes Bochum glaubhaft geschildert haben. So hat nachfolgend wieder eingenässt, musste sich in psychologische Behandlung begeben und war nicht mehr in der Lage, Fahrrad zu fahren – alles Entwicklungsschritte, die er längst erfolgreich absolviert hatte. Auch seine diesbezüglichen Fragen an die Pflegemutter hinsichtlich des Verbleibs in der dortigen Familie zeugen von der starken Verunsicherung des Kindes, die offensichtlich bereits zu einer erheblichen Belastung geführt haben.

3.

Angesichts dieser Gegebenheiten scheint nach Auffassung des Senats – auch unter Berücksichtigung der wechselseitigen Grundrechtspositionen der Beteiligten – auch ein längerfristig zu gestaltender, unter fachkundiger Begleitung durchzuführender „behutsamer“ Wechsel des Kindes zurück in den Haushalt der Kindesmutter auf absehbare Zeit ausgeschlossen. Angesichts des erneuten unweigerlichen Bindungsabbruchs und der damit einhergehenden existenziellen Verunsicherung des Kindes käme insbesondere eine „testweise“ Rückführung des Kindes in den Haushalt der Kindesmutter nicht in Betracht. Mit der Sachverständigen ist der Senat der Auffassung, dass insgesamt eine Rückführung des Kindes – unabhängig von dem zu wählenden Zeitraum – zu riskant ist und die dadurch gegebene Gefährdung des Kindeswohls eine solche Möglichkeit ausschließt.

4.

Die Kindesmutter ist darauf zu verweisen, durch regelmäßige Besuche bei
der durchaus zwischen seiner „Bauchmutter“ („Ana“) und seiner Pflegemutter zu unterscheiden weiß, die Beziehungen aufrecht zu erhalten und zu entwickeln. Dabei ist die Pflegemutter, wie sie mehrfach betont hat, durchaus bereit, diese Besuchskontakte zu intensivieren. Unbestritten ist das Verhältnis zwischen der Kindesmutter und der Pflegemutter vertrauensvoll und entspannt. Allerdings sind die auf Anraten des Senats bereits nach dem Termin vom 06.11.2008 in Aussicht genommenen zusätzlichen Umgangstermine aus Gründen, die im Bereich der Kindesmutter lagen, nicht zustande gekommen. Auch insoweit sollte die Kindesmutter an sich arbeiten, um die ihr durchaus gegebenen Möglichkeiten zur Pflege der Beziehung zu , der die Besuche durchaus schätzt und begrüßt, wahrzunehmen und zu intensivieren.

III.

Die Beschwerde der Kindesmutter und Antragstellerin ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG, 94 Abs. 3 Satz 2, 131 Abs. 3 KostO.

Pflegeeltern in vergleichbarer Situation, bei welchen der Verbleib ihres Pflegekindes durch Herausnahmeforderungen gefährdet ist, wird daher angeraten, sich hier möglichst frühzeitig qualifiziert beraten zu lassen. Für den erfolgreichen Abschluss eines derartigen Verfahrens ist es oft von herausragender Bedeutung, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt am Verfahren teilzunehmen oder einen entsprechenden Antrag zu stellen. Sollten Sie weitere Informationen oder eine weitere Beratung wünschen, so wenden Sie sich bitte an den Verfasser:

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